Mein Schatz und Maja haben sich zu einem Mittagsschläfchen verzogen
und ich sitze am Schreibtisch, starre auf kahle Bäume und einen trüben,
megagrauen Himmel.
Die Welt schweigt, als müsse sie sich von der Hektik und dem
Stress der letzten Tage erholen. Atem holen, Kraft schöpfen, Energie tanken, für
ein weiteres aufregendes Jahr.
Das fröhliche Lied eines Vogels unterbricht die mich
umgebende dröhnende Stille.
Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich erinnere mich der
gefiederten Gesellen, die, wie Orgelpfeifen aufgereiht, auf dem Balkongeländer
hocken und geduldig warten, bis die Reihe an ihnen ist, in das gut gefüllte
Futterhäuschen zu hüpfen und sich den Bauch vollzuschlagen.
Ich lehne mich zurück, lege die Füße auf den vom Alter
zerknautschten Lederhocker und lasse meine Gedanken schweifen.
Erinnerungen tauchen auf. Blitzlichtern gleich, blenden sie
mich. Lassen sich nicht greifen, erfassen.
Tief durchatmen, entspannen, die Augen schließen.
Der Vorhang hebt sich … 3 – 2 – 1 – … Wie in einem Kino der
20er Jahre startet ein Film. Zuerst wacklig, dann stellt sich das
Kameraobjektiv scharf, zeigt mir klare Bilder.
Erschütternde – von guten Bekannten, die das Liebste in
ihrem Leben verloren haben.
Traurige – über Angehörige mit unheilbaren Krankheiten.
Bedrückende – von langjährigen Freunden, gestraft mit
geistigem und körperlichem Verfall.
Als wäre das nicht genug, setzt sich der Film mit Aufnahmen
von Wetter- und Umweltkatastrophen, Kriegen, Rassismus, Homophobie und
weltweiten politischen Intrigen fort.
Ich gerate in einen wilden Strudel, verliere den Boden unter
den Füßen, drohe in einem Meer aus Hoffnungslosigkeit zu ertrinken.
Instinktiv schlage ich auf eine imaginäre Stopp-Taste in
meinem Kopf, halte den düsteren Erinnerungsfilm an.
Mir ist so kalt! Ich schlinge die Arme um meinen Oberkörper,
um nicht innerlich zu erfrieren.
So habe ich mir den Nachmittag des Heiligabends nicht
vorgestellt.
Erneut dringt das unbeschwerte Lied einiger Vögel an mein
Ohr, reißt mich aus der beginnenden Lethargie.
Ich öffne die Augen, sehe immer noch, wie die nackten Äste
der Bäume sich gen Himmel strecken, als würden sie um ein wenig Sonne bitten.
Inzwischen ist die Wolkendecke aufgerissen, zeigt
Ausschnitte eines blassblauen Firmaments.
Meine Laune hebt sich, wenn auch nur um eine Winzigkeit.
Das Brummen eines sich nähernden Autos dringt durch das
angekippte Fenster zu mir herauf. Das Motorengeräusch erstirbt, Türen klappen
und aufgeregte Kinderstimmen plappern wild durcheinander.
Ich verstehe zwar kein Wort, aber aufgrund des heutigen
Datums ist klar, dass die Kleinen sich auf die anstehende Bescherung freuen.
Lächelnd denke ich an die vier Weihnachtsabende zurück, die
meine Sicht auf dieses Fest nachhaltig verändert haben.
Soll ich es wagen, den Film weiterlaufen zu lassen?
Ein weiteres Mal schließe ich die Augen, strecke im Geiste
die Hand aus und drücke mit zitternden Fingern den Kopf.
Flackernd erscheint das Gesicht des wichtigsten Menschen in
meinem Leben auf der Leinwand.
Ich blicke auf Momente absoluter Verbundenheit.
Wärme – in Augenblicken eisiger innerer Kälte.
Tröstende Umarmungen – wenn alles um mich herum
zusammenbricht.
Liebe – sanft, bestimmend, einfühlsam, mich in jeder Sekunde
umhüllend.
Erinnerungen an gute Freunde folgen diesen Bildern. Menschen,
die zu jeder Tages- und Nachtzeit einfach die Hand ausstrecken und in schweren
Zeiten für einen da sind.
Eine kalte, nasse Hundenase stupst gegen meine Hand und
unterbricht meinen Rückblick. Lachend öffne ich die Augen und schaue auf eine
wild wedelnde Fellnase.
Rigoros schiebt Maja ihre Schnauze unter meinem
angewinkelten Arm durch und legt ihren Kopf auf meinen Schoß. Eine unmissverständliche
Aufforderung, sie mit Streicheleinheiten verwöhnen zu dürfen.
Die weihnachtliche Besinnungsstunde ist eindeutig vorbei.
Die Anwesenheit des Hundetiers und entsprechende Geräusche
aus dem hinteren Teil der Wohnung bekunden, dass Schatz aufgewacht ist. Wir
werden uns jetzt einen gemütlichen Abend machen und nicht länger am PC hocken.
Da mir nicht mehr viel Zeit bleibt, möchte ich diesen
Bericht wie folgt abschließen:
Egal, wie viele beschissene Ereignisse das vergangene Jahr
uns beschert hat, man darf nie die schönen, aufbauenden, teilweise zuckersüßen
Momente aus den Augen verlieren, sonst überrollt einen die Dunkelheit und das
Leben erscheint einem sinnlos.
Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels!
In diesem Sinne möchte ich mich bei allen realen Freunden,
Bekannten und Familienmitgliedern bedanken.
Allen Leserinnen und Lesern, FB-Freunden und Followern danke
ich dafür, dass Ihr mir schon so lange die Treue haltet.
Ich wünsche Euch und Euren Lieben ein friedliches,
besinnliches Weihnachtsfest und dass all Eure Wünsche für das neue Jahr in
Erfüllung gehen.
Liebe Grüße und bis bald
Euer Gerry
Lieber Gerry,
AntwortenLöschenich kann sehr gut nachvollziehen wie du den Nachmittag verlebt hast.
Das Gefühl des Strudels, dass einem den Boden unter den Füßen wegzuziehen droht...
Aber auch die schönen Momente, die einen aufbauen und Kraft geben.
Ich wünsche dir, dass du noch viele positive Augenblicke erlebst. So viele, dass das Negative dich nicht so stark belastet.
Deine Gedanken geben aber auch Kraft, selbst nach vorn zu sehen und nach den schönen Dingen zu suchen.
Ich wünsche dir, deinem Partner und Maja sowie euren Familien alles Glück und wunderschöne Stunden zum Weihnachtsfest.
LG Tina
Hallo Gerry, mein Nachmittag wurde vom Kartenspielen mit meinen Neffen geprägt. Wir haben gelacht, weil wir die Spielregeln nicht kapiert haben. Ein Spiel für Kinder ab 8. Frohes Lachen hat den Wintergarten erfüllt.
AntwortenLöschenFrohes lachen und ein Stimmengewirr, das meinem Vater dann zu viel wurde. Er kommt nicht mehr so gut mit Durcheinandergerede klar. Und doch hat er erst noch gestrahlt, weil seine Kinder am Tisch beisammen sind.
Ja, die schönen Erinnerungen immer wieder hervorholen, das ist wichtig.
Genießt die Tage und habt eine schöne Zeit.
LG Elke
Lieber Gerry,
AntwortenLöschenschön geschrieben. Schön, poetisch, liebevoll. Die Liebe ist das, was alles wichtige ausmacht. Ohne die Liebe? Pffft .... nix. Die Liebe ist das, was uns die Hoffnung, die Wärme, die Zuversicht gibt - wie du so schön geschrieben hast, das Dunkel in unserem Leben zu erhellen, die unschönen Erlebnisse und Ereignisse zu ertragen, zu überwinden und verblassen zu lassen. Immer wieder die Kraft zu finden, sich zu befreien und erneut stark zu werden.
Wir wünschen euch und euren Lieben ein weiterhin schönes, geruhsames Weichnachtsfest und ein gutes neues Jahr.
GlG Micha u. Fam.
Lieber Gerry.
AntwortenLöschenDas sind wahre und weise Worte zum Weihnachtsfest und vielleicht zum Abschluss des Jahres.
Besser könnte man es nicht beschreiben.
Danke.
Grüße aus Köln
Sandra